Am 29.August erscheint in der Offenbach-Post nach einer Begehung mit Silvia Schäfer ein Artikel über die Probleme mit Elektromobilität im Straßenverkehr.

Von Sebastian Schilling (Volontär)

Hanau. Noch sind Autos und Busse mit Elektroantrieb die Ausnahme im Straßenverkehr. Doch wenn zukünftig – was ja erklärter Wille der Politik ist – mehr Autofahrer auf die emissionslosen Fahrzeuge umsteigen, wird ein Problem zunehmend in den Fokus rücken: Bei geringen Geschwindigkeiten erzeugen die Elektromobile so gut wie keine Fahrgeräusche.

Silvia Schäfer, Vorsitzende der Bezirksgruppe Hanau des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Hessen, will frühzeitig auf das Problem aufmerksam machen. „Wenn wir erst damit anfangen, wenn viele Elektroautos rumfahren, ist es zu spät.“

Laut dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) können Fußgänger ein elektrisch betriebenes Fahrzeug erst dann herannahen hören, wenn es weniger als acht Meter entfernt ist. Bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h blieben dann nur noch anderthalb Sekunden, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. „Das betrifft aber nicht nur Blinde und Sehbehinderte“, sagt Schäfer. Auch Personen, deren Hörvermögen eingeschränkt ist, seien gefährdet. Generell gelte, dass auch sehende Menschen normaleweise nur in die Richtung schauten, in die sie sich bewegen. „Geguckt wird erst, wenn man etwas hört.“

Ab 2019 müssen neue Fahrzeuge mit dem sogenannten AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) ausgestattet sein. Dabei handelt es sich um ein System, dass beim Fahren unter 20 km/h eine Art Motorengeräusch künstlich erzeugt. „Das hört sich an wie ein Brummen oder Blubbern“, sagt Schäfer. Ein solches System fordert der DBSV auch für Autos mit modernen Verbrennungsmotoren, die über eine Start-Stopp-Automatik verfügen. Es ist schwierig für Blinde, wenn es an der Kreuzung oder an der Ampel völlig ruhig ist, denn das bedeutet normalerweise, dass da niemand ist.“

Kürzlich hat die Stadt Hanau zwei Elektrobusse erprobt. Zu Schäfers Bedauern waren diese nicht mit einem AVAS ausgestattet. „Im Moment sind wir froh, wenn uns die Hersteller überhaupt ein Fahrzeug zur Verfügung stellen, hier können wir nicht auf das AVAS-System bestehen“, sagt Thomas Schulte, Geschäftsführer der Hanauer Straßenbahn GmbH (HSB). „Bedingt durch die Nachfrage und die Kosten, die für eine Überführung eines solchen Fahrzeuges anfallen können, ist das Angebot sehr eingeschränkt.“ Sollte sich die HSB aber zum Kauf von Elektrobussen entscheiden, wären diese dann mit dem AVAS ausgestattet, da dies ab dem 1. Juli 2019 ohnehin vorgeschrieben sei.

Die Busfahrer, die an der Erprobung der Busse beteiligt waren, seien auf die besonderen Gefahren hingewiesen worden, die sich aus der Geräuschlosigkeit der Busse ergeben, sagt Schulte. „Unsere Fahrer hatten schon hier und da Vorfälle, wo Fußgänger den Bus nicht gehört haben. Bei den beiden Testfahrzeugen konnte man nur das Brummen der Klimaanlage hören, dieses Geräusch wurde aber nicht von allen Fußgängern wahrgenommen.“

Für Silvia Schäfer ist wichtig, dass die Öffentlichkeit für das Problem sensibilisiert wird. „Jeder freut sich über stille Autos in unserer lauten Welt.“ Doch es bringe eben auch neue Probleme mit sich, die man angehen müsse, so Schäfer.

Sicherheit durch Motorengeräusch

Gemäß der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 540/2014 muss ab dem 1. Juli 2019 in neuen Hybrid- und Elektrofahrzeugen
das sogenannte AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) installiert sein, dass bei Geschwindigkeiten bis 20 km/h und beim Rückwärtsfahren ein Geräusch erzeugt. Ab einer Geschwindigkeit von 20 km/h übertönt das Abrollgeräusch der Reifen in der Regel
auch das Motorengeräusch moderner Verbrenner. Das Geräusch muss mit dem eines mit einem Verbrennungsmotor ausgestatteten Fahrzeugs der gleichen Klasse vergleichbar sein. Auch in den USA beschäftigt man sich mit dem Thema.
Die National Highway Traffic Safety Administration geht davon aus, dass sich mit AVAS pro Jahr 2 400 Unfälle mit Fußgängern vermeiden lassen. ses

 

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