Ohne Fraktion, aber mit vielen Überzeugungen: Robert Erkan ist Stadtverordneter für das FGH

Der Mediator mit Sinn fürs Miteinander

Hanau (nie). Dass Namen Schall und Rauch sind, lässt Goethe seinen Faust konstatieren, bisweilen aber transportieren sie ganze Geschichten. Bei Robert Erkan ist das so. Dem aus dem Germanischen stammenden Vornamen in Kombination mit einem Nachnamen türkischer Herkunft ist die Frage nach dem Warum beinahe inhärent. Die lässt sich zwar recht simpel beantworten, verrät aber gleichwohl eine ganze Menge über den Menschen Robert Erkan - und seine Sicht auf die Welt.

Dass Erkans Eltern, ein Moslem aus Istanbul, der wie so viele andere als Gastarbeiter nach Deutschland kam, und eine Katholikin aus Zagreb, in diesem für sie beide fremden Land nicht allein einen Broterwerb, sondern auch die Liebe fanden, ist in dieser Konstellation durchaus bemerkenswert, in den 60em weitaus mehr noch, als heute. „Integration haben wir zu Hause schon betrieben, da gab’s das Wort noch gar nicht“, lacht Erkan. Dass daheim bei Familie Erkan Deutsch gesprochen wird, nennt er eine höchst pragmatische Entscheidung für das, was für beide Eltemteile eine Transfersprache war.

Ein Frankfurter Bub

Dass er, ein Frankfurter Bub, getauft und gefirmt wird, Messdiener ist und zugleich immer mal wieder in die Moschee geht, kommt ihm selbst zunächst nicht ungewöhnlich vor. „Ich kannte das ja gar nicht anders, für mich gab es nur dieses eine Modell und das hieß: Alles ist eine Möglichkeit“, sagt er im Rückblick. Doch diese Möglichkeit, so räumt er ein, habe ihn manchmal auch zerrissen. Dann nämlich, wenn es ums Dazugehören ging, und das eigene Erleben, weder das Eine noch das Andere zu sein: Kein „richtiger“ Türke, kein „richtiger“ Kroate, aber eben auch nicht so deutsch wie andere - nicht allein des Namens wegen. Die Erfahrung des eigenen Andersseins habe ihn geprägt, sagt Erkan, und dass es ein anstrengender Weg sei, ja zu sagen zu seinen Wurzeln. „Mir war dann recht bald klar, dass Miteinander nur funktioniert, wenn echtes Interesse am anderen da ist.“
Dieses Interesse an Menschen indes, an der Auseinandersetzung mit ihnen, ist etwas, dass Robert Erkan schon früh umtreibt. Dass er beruflich eine ganz andere Richtung einschlägt und eine Ausbildung zum Bankkaufmann macht, hat mutmaßlich mit der elterlichen Prägung zu tun, dass es in Sachen Beruf zuallererst mal ums Geldverdienen geht. Er landet im Vertrieb eines Schweizer Großkonzems, dann im Vorstand einer Beratungsgesellschaft um mit Mitte 40 nochmal alles in Frage zu stellen. „Ich hatte beruflich alles erreicht, aber richtig zufrieden war ich nicht“, sagt der heute 50-Iährige. 2011 steigt er aus, macht sich selbstständig. Seitdem befasst er sich als Mediator, Business-Coach und Kommunikationstrainer hauptberuflich mit den Konflikten anderer.
Mit Politik hat Robert Erkan sehr lange „gar nichts am Hut“, obwohl sich die Themen Verständigung, Miteinander und Kommunikation wie ein roter Faden durch sein Leben ziehen und er sich in vielfältiger Weise ehrenamtlich engagiert, im Schuleltembeirat zum Beispiel oder im Kulturverein c2c. „Das war ein Prozess, zu begreifen, dass vieles, was ich mache, eigentlich hochpolitisch ist.“
2010 hebt er das Forum Gemeinsames Hanau (FGH) mit aus der Taufe und ist seither dessen Vorsitzender, noch im gleichen Jahr tritt die internationale Wäh-lergruppierung bei der Wahl für den Hanauer Ausländerbeirat an und setzt sich fortan als ausdrücklich internationale und nicht durch eine bestimmte Ethnie ge-prägte Wählergemeinschaft für die Interessen der Hanauer mit ausländischen Wurzeln ein. Mit viel Engagement, aber zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten, befindet Erkan. Der Ausländerbeirat sei - nicht nur in Hanau, sondern in Hessen insgesamt - eine Fehlkonstruktion, ein Gremium, das zwar mitreden, aber nicht mitbestimmen dürfe. „Darüber hinaus haben nur ganze sieben Prozent der Wahlberechtigten bei der vergangenen Wahl ihr Kreuzchen gemacht, da darf man schon die Frage stellen, wessen Interessen wir überhaupt noch vertreten“, so Erkan.
Letztendlich sind es eben jene Überlegungen, die den Ausschlag geben, es doch mal im Stadtparlament zu versuchen, obwohl das bislang „vollkommen absurd erschien“. Ziemlich spontan wird die Idee geboren, mit dem FGH bei der Kommunalwahl anzutreten, quasi in letzter Minute werden die notwendigen Unterlagen eingereicht. Ein Prozent der Wählerstimmen kann das FGH am Ende auf sich vereinen, das reicht für einen Sitz im Stadtparlament, für den Fraktionsstatus aber nicht. Kein einfacher Start, das ist Erkan bewusst. „Es ist natürlich richtig, dass wir gegenüber den anderen Fraktionen im Nachteil und unsere Handlungsspielräume begrenzt sind“, räumt er ein. Trotzdem will das FGH im Stadtparlament unabhängig bleiben: „Ohne Fraktionszwang kann ich immerhin jederzeit aussprechen, was ich denke, von daher gibt es so viel mehr Möglichkeiten, unser Profil zu schärfen“, ist er überzeugt. Dabei gehe es vor allem darum, Denkanstöße zu liefern, einen anderen¬ Blickwinkel zu ermöglichen - wie ihn zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund haben. Denn dass 40 Prozent der Hanauer ausländische Wurzeln haben, spiegele sich bis dato im Parlament nicht wider.

„Vielfalt kann sehr anstrengend sein“

„Wir verstehen uns als Botschafter für Freiheit und Unterschiedlichkeit“, sagt Erkan und das hat auch viel mit seinem eigenen Selbstverständnis zu tun. Für ihn, der zugleich Deutscher, Türke und Kroate ist, sich als auch muslimisch denkenden Katholiken sieht, sind viele Dinge nicht so sehr eine Frage von entwe- der/oder, sondern vielmehr von sowohl/als auch. „Ich kann zum Beispiel neben der Bibel dem Koran sehr viel abgewinnen. Und auch der Buddhismus ist eine tolle Religion“, sagt der geschiedene Vater zweier Kinder. Entscheidend ist für ihn, dass die eigene Identität im Geiste frei bleiben kann - ob mit oder ohne Religion. Gelebte Vielfalt, das ist seine Idee einer Gesellschaft. „Das ist zuweilen aber auch richtig anstrengend - und auch das müssen wir offen aussprechen, auftretende Probleme thematisieren“, fordert Erkan.
Seine Premiere im Stadtparlament erlebt er bislang als spannende Erfahrung, das FGH selbst - das übrigens aktuell einen Zuwachs „biodeutscher“ Mitglieder verzeichne - begreift er als stets lernende Organisation, entwickelt mit der DNA des Grundgesetzes, Artikel 3. „Mal seh’n, wie das jetzt alles so läuft, wie sich die Dinge entwickeln“, sagt er. Alles ist eine Möglichkeit.

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