Über unsere Aktion zum "Tag des weißen Stockes" am 15.Oktober schreibt die Frankfurter Rundschau in Ihrer Ausgabe am 16.Oktober:

 

"Macht den Weg frei!"

Mitglieder des Blindenbundes auf mitunter gefährlichem Testlauf durch die Innenstadt.

von Andreas Zitzmann

Birgit und Manuel mit Hund in der Hanauer Innenstadt

Unfreiwilliger Hindernislauf in der Fußgängerzone. Monika Müller

Wer sehenden Auges durch die Hanauer Innenstadt und ihre Fußgängerzonen geht, wird sich mitunter ärgern – über Werbeschilder, Warenständer, Stehtische, ohne die inzwischen kein Geschäft offenbar mehr glaubt auszukommen. Sie sind ärgerlich, weil oft hässlich und sogar sinnlos. Um wie viel ärgerlicher ist diese „Möblierung“ der Straßen wohl für Menschen, die nichts oder kaum etwas sehen?
Am gestrigen Freitag war der „Tag des weißen Stocks“. Ihn nahm der Hanauer Blinden- und Sehbehindertenbund zum Anlass, öffentlich und ein bisschen spektakulär auf die Probleme von Menschen hinzuweisen, die Hindernissen nicht einfach ausweichen können, weil sie sie sehen.

Knapp ein Dutzend Sehbehinderte und Blinde, einer von ihnen mit Glocke vornweg, zogen durch die Nürnberger Straße, Fahrstraße zum Freiheitsplatz und zurück zur Rosenstraße, wo der Bund vor einem Optikergeschäft einen Informationsstand aufgebaut hat.

Nicht von ungefähr: Seit rund einem Jahr kooperiert Ladeninhaber Gotthard Klassert (auch Vorsitzender des Hanauer Marketing Vereins) mit dem Blindenbund, beispielsweise bei der Beratung für spezielle Sehhilfen, die der Blindenbund nicht leisten kann.
Für die Sehbehinderten, obwohl durchweg firm im Umgang mit ihrem wichtigsten Utensil, dem weißen Blindenstock, wurde ihr Spaziergang durch die Innenstadt zum reinsten Hindernislauf. Ertastete Werbeständer, Schilder oder Tische, die sich als Stolperfallen erwiesen, wurden mit einem Flyer beklebt: „Mehr Rücksicht auf alle“, der erläuterte, wie gefährlich sie für behinderte Menschen sein können.
Angesprochene Ladeninhaber zeigten durchaus Verständnis, Josef Ender vom Blindenbund weiß aber aus Erfahrung, dass die Schilder stehen bleiben werden. Ohne sie ginge der Umsatz angeblich rapide zurück, hat Klassert von Geschäftsleuten gehört.
Volkhard Pritsch, Vorsitzender des Behindertenrates des Kreises, ist regelrecht erzürnt: „Mit welchem Recht verstellen die uns den Weg?“ Zumal die Schilder nie am gleichen Ort aufgestellt werden – heute hier, morgen dort
Ender denkt inzwischen an eine Aktion, solche Geschäfte mit einem „Boykott“ zu belegen. Klassert schlug vor, die Gebühren für die – genehmigungspflichtigen – Werbeständer saftig zu erhöhen.
Stadrat Ralf-Rainer Piesold (FDP), die die Gruppe begleitete, äußerte sich dazu nicht. Dafür nahm er eine andere Klage mit und versprach unverzügliche Änderung. Am Kurt-Blaum-Platz sind an den Fußgängerüberwegen Markierungen ins Pflaster eingelassen, die mit dem Blindenstock ertastet werden können und den richtigen und ungefährlichen Weg weisen. Gut gedacht, schlecht gemacht: Die Platten mit Rillen sind aus Unkenntnis oder Schlamperei teilweise falsch herum verlegt, sie führen die Sehbehinderte regelrecht in die gefährliche Irre. Auch an manchen Bushaltestellen wurden sie falsch platziert.

Was erlaubt ist
Die Stadt Hanau hat 2008 „Richtlinien zur Gestaltung von Sondernutzungen im öffentlichen Straßenraum“ erlassen. In 16 Paragrafen wird geregelt, was erlaubt ist und was nicht.
Genehmigt werden können: Warenauslagen, mobile Verkaufsstände, Werbeständer, Außenbestuhlung und Möblierung von Lokalen. Dazu gehören auch Einfriedungen.
Die Ordnungsbehörde ist zuständig dafür, dass die Vorgaben auch eingehalten werden. Sie kontrolliere täglich, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Inzwischen seien in 150 Fällen auch Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. az

 

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