Nichts kann ihn stoppen
Patrick Walterscheidt ist blind, aber im Tischball ist ihm kein Ziel zu weit

ShowDown-Platte, rechts Patrick, links seine Gegnerin
Foto: ANJA GOLDSTEIN


VON GABRIELE REINARTZ

Erlensee - Er bewegt sich flink durch seine Wohnung als wäre nichts. Weder stößt Patrick Walterscheidt an einen Türrahmen an noch an ein Möbelstück. Lediglich seine linke oder rechte Hand streckt er leicht zur Seite aus und ertastet so den Abstand zur Wand. Das ist aber auch schon alles. Walterscheidt ist blind, seit seinem 15. Lebensjahr.
Doch das Handicap hält ihn nicht davon ab, sein Leben so zu leben, wie er es gern möchte. Und so spielt er seit fast drei Jahren auf nationaler und seit rund zwei Jahren auf internationaler Ebene Showdown. Die Sportart kommt aus Kanada und wird von Blinden, Sehbehinderten und auch Sehenden ausgeübt.
„Angefangen habe ich vor ungefähr sieben Jahren. Damals machte ich noch in Mainz meine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Eine Freundin nahm mich mal mit zum Training. Ich habe sofort Blut geleckt“, erzählt Walterscheidt. Seitdem trainiert der 28-Jährige zweimal wöchentlich. In der Bundesliga steht er aktuell auf Platz vier, und auf internationaler Ebene hat er sich für die Einzelliga in der Division A qualifiziert. „Im März fahre ich nach Prag zum Czech Blind Sportsmen Federation und im Mai nach Pisa zum Pisa Open. Bei beiden Turnieren geht es darum, Ranglistenpunkte zu sammeln“, fügt er noch an. Pisa Open ist aktuell das größte Turnier für Showdown. Hier nimmt Walterscheidt im Frühjahr schon zum dritten Mal teil. Langfristig sei es sein Ziel, einmal unter die European Top 12 zu kommen. Sein bester Freund und Vorbild, Thade Rosenfeld, belegt derzeit den vierten Platz in der Weltrangliste.
In Deutschland gibt es Showdown seit 2005 und wird mittlerweile in 60 Städten gespielt. Ähnlich wie beim Tischtennis wird auch hier ein 50 Gramm schwerer Ball, fast so groß wie ein Tennisball, mit einem zirka dreißig Zentimeter breiten Schläger über eine 3,70 Meter lange Tischplatte geschoben. Ziel ist es, den Ball in das gegnerische Tor, einer Aussparung mit Netz an den Kopfseiten der Platte, zu versenken. „Ein gutes Gefühl für die Ballgeschwindigkeit und Treffsicherheit sind sehr wichtig“, erläutert Walterscheidt.
Weil die Spieler nichts sehen können, ist der Ball mit kleinen Metallkugeln bestückt, die ein klingelndes Geräusch von sich geben. Er kann bis zu 116 Stundenkilometer schnell werden. Als Schutz für die Augen, aber auch um sehenden Spielern die Augen quasi zu verbinden, ist das Tragen einer Dunkelbrille, bestehend aus durchgängig schwarzem Kunststoff, Pflicht. An ihrer Spielhand tragen die Spieler einen Handschuh - auch dieser soll sie gegen Verletzungen schützen. Denn sie können ihre eigenen Bewegungen und den Verlauf der Ballwechsel ja nicht sehen und stoßen gegebenenfalls mit der Hand an einer Kante des Tisches an.
Bisher wird die Sportart in Hessen außer in Erlensee noch in Kassel, Marburg und Frankfurt gespielt. Es ist Walterscheidt zu verdanken, dass Showdown in Erlensee gespielt wird. „Als ich als Physiotherapeut in Erlensee anfing, wollte ich abends nicht noch bis Frankfürt fahren müssen. Daher trainierte ich zunächst mit meinem Bruder in unserer Garage. Doch auf Dauer wollte ich das nicht, daher fragte ich unseren Bürgermeister, ob es nicht eine Trainingsmöglichkeit für uns gebe.“ Und die gab es: Seit 2017 trainiert der im selben Jahr gegründete SC Showdown Erlensee im Bürgerhaus zum Neuen Löwen in Rückingen. Walterscheidts erster, „ernst zu nehmender Gegner“, war Bürgermeister Stefan Erb höchstpersönlich, der die Sportart unbedingt mal ausprobieren wollte. „Unser Verein hat derzeit zwölf Mitglieder. Davon sind drei vollsehend, die anderen sind sehbehindert oder blind wie ich.“ Wie jeder Verein braucht auch der SC Showdown Erlensee ehrenamtliche Unterstützung und auch Sponsoren. Eine neue Platte sei fällig, und die koste immerhin um die 2000 Euro. Und auch die Bälle seien teuer, ergänzt Walterscheidt.
Wenn er nicht seinem Hobby nachgeht, arbeitet er Vollzeit als Physiotherapeut im Altenzentrum Rodenbach. In die hiesige Region hat ihn eigentlich seine Blindheit verschlagen. „Ich bin gebürtiger Oberhausener und in der Nähe von Siegburg und Olpe aufgewachsen“, erzählt er. Nach seiner Erblindung musste er die Sehbehindertenschule in Köln verlassen und auf eine Blindenschule wechseln. Dies nahm seine Mutter zum Anlass, mit ihren Söhnen nach Erlensee zu ihren Eltern zu ziehen. Nach nur zwei Jahren schaffte Walterscheidt seinen Abschluss, obwohl er zunächst erst die Blindenschrift lernen musste. „Die Blindenschrift selber ist nicht sehr schwer, da das Alphabet aus Sechserblöcken besteht. Das Schwierige an der Schrift ist das Ertasten.“ Doch mit Ehrgeiz und Zielstrebigkeit managte er auch diese schwere Krise. Heute konzentriert er sich voll und ganz auf seinen Beruf und sein Hobby.

 

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